Interview in den "SF-Notizen"

Das nachfolgende Interview mit mir erschien erstmals im März 2021 in den Num­mern 806 und 807 der "SF-Notizen". Geführt wurde es vom Herausgeber der "SF-Notizen", Kurt S. Denkena (KSD).

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KSD: Du hast bei einigen Serien mitgeschrieben, allerdings mitunter nur einen Roman. Heutzutage würde man das als »Gastroman« bezeichnen, wie war das damals? Und wie bist du überhaupt an diese einzelnen Aufträge gekommen (immerhin waren darunter doch so renommierte Reihen wie DIE TERRANAUTEN und VAMPIRA)?

KUB: 1974 hatte ich bei Zauberkreis meinen schon im Teenager-Alter geschriebe­nen Erstling Nijha, der Attentäter veröffentlicht, und 1977 kam dann bei Arena mein SF-Jugendbuch Delphinenspiele heraus. Im selben Jahr besuchte ich auch zum allerersten Mal einen SF-Con, nämlich den SFCD-Con in Kleve. Dort lernte ich neben Profis wie etwa Ronald M. Hahn auch Marcel Bieger und Heinz Mohlberg kennen, die mich sofort für den Redaktionsstab des soeben von ihnen übernom­menen, zumindest Semiprofessionalität anstrebenden Kölner Fanzines SCIENCE FICTION BAUSTELLE (SFB) rekrutierten. Von da an war ich dann häufiger in Köln, und bei einer dieser Gelegenheiten stellte Heinz Mohlberg mich Horst Hübner vor, dem Chefautor der ZEITKUGEL-Nachfolgeserie ERDE 2000. Unser Gespräch verlief in sehr angenehmer Atmosphäre, es folgten dann noch einige Telefonate, und so kam es, daß ich 1979 für den Marken-Verlag den ERDE-2000-Band 36, Die Insel der Kinder, schrieb. An den inzwischen leider verstorbenen Horst Hübner habe ich übrigens die allerbesten Erinnerungen – ein wirklich liebenswürdiger Kollege, der mir damals viele nützliche Tipps gegeben hat.

Die Insel der Kinder war nicht etwa als Gastroman gedacht, aber trotzdem ist es dann bei diesem einen Beitrag zu ERDE 2000 geblieben, weil die Serie kurz darauf eingestellt wurde und Horst Hübner es so gerade eben noch schaffte, einen begon­nenen Handlungsstrang zu Ende zu führen. Da war dann für weitere Romane von mir und Wilfried Hary, der ebenfalls an der Serie mitschrieb, leider kein Platz mehr. Wilfried habe ich dann erst später, nämlich während der TERRANAUTEN-Zeit, per­sön­lich kennengelernt, aber Freunde sind wir erst vor ein paar Jahren geworden.

1979 kamen Marcel und Heinz auch auf die Idee, Michael Kubiak, den damaligen Redakteur der Bastei-SF, für die SFB zu interviewen. Das Interview wurde dann zwar nie veröffentlicht, aber Michael bekam bei dieser Gelegenheit mit, daß sowohl Marcel als auch ich daran interessiert waren, als SF-Übersetzer für Bastei zu arbei­ten. Da zu diesem Zeitpunkt das SF-Programm des Verlags erheblich ausgeweitet werden sollte, wurden glücklicherweise gerade neue Übersetzer gesucht, und wenig später erhielten Marcel und ich Probekapitel, die wir übersetzen sollten. Mit den Ergebnissen muß Michael wohl recht zufrieden gewesen sein, denn alsbald erhielten wir unsere ersten richtigen Aufträge – meiner war Philip K. Dicks A Scanner Darkly (dt. Der dunkle Schirm), wobei ich zuvor noch kurzfristig bei der Übersetzung zweier Kapitel von Brian Aldiss' Sachbuch Der Millionen-Jahre-Traum einspringen mußte, weil der Hauptübersetzer Michael Görden dabei terminlich etwas in die Bredouille geraten war. Michael Görden wurde dann ja auch der Redakteur der damals gerade in Planung befindlichen TERRANAUTEN, und über diese erste Über­setzungszusammenarbeit mit ihm bin ich dann wohl als Autor bei den TERRANAUTEN mit hineingerutscht.

Inzwischen hatte sich noch ein weiterer Redakteur zum Stab der SFB gesellt, nämlich Andreas Brandhorst, der damals gerade seine ersten Heftromane bei Zauberkreis veröffentlicht hatte. Da fand ich es nur logisch, ihn zu fragen, ob er nicht auch versuchen wolle, mit bei den TERRANAUTEN unterzukommen. Wenn ich mich recht erinnere, gab es dann kurz darauf ein erstes vorbereitendes Treffen in Wuppertal bei Ronald M. Hahn, zu dem neben Rainer Zubeil, Horst Pukallus und mir dann auf meinen Vorschlag hin auch Andreas eingeladen wurde. Der Rest ist Geschichte: Andreas wurde einer der Hauptautoren der TERRANAUTEN, ich hingegen stieg schon nach ganz kurzer Zeit wieder aus. Das lag aber nicht daran, daß ich etwa nur einen >Gastroman< hätte schreiben sollen. Vielmehr hatte ich mich bei den parallel laufenden Arbeiten an der Übersetzung von A Scanner Darkly und meines ersten TERRANAUTEN-Romans (Band 42: Der Sammler) derart über­anstrengt, daß ich einen Burnout erlitt. Zwar hatten Andreas und ich für die erste große TERRANAUTEN-Konferenz im Bastei-Verlag noch gemeinsam eine ganze Reihe von Exposés vorgelegt, aber die wurden dann am Ende allein von Andreas umgesetzt – ich selbst schrieb nur noch die Anfangskapitel von Band 46 (Die Eisteufel), dann klappte ich endgültig zusammen, und Andreas mußte den Roman an meiner Stelle beenden. Bei Bastei erschien er auch nur unter seinem Namen; ein anteiliges Honorar habe ich damals aber natürlich erhalten. Bei den Neuaus­gaben im Heinz Mohlberg Verlag und bei Apex werden wir inzwischen beide genannt.

Ans Schreiben kam ich nach diesem Zusammenbruch erst wieder, als Wolfgang Hohlbein – noch eine Bekanntschaft aus der Zeit der SFB, auch wenn die Nummer, an der er mitgearbeitet hatte, nicht mehr erscheinen sollte, weil Marcel sein Ziel, Profi-Übersetzer zu werden, inzwischen erreicht hatte und die SFB wegen der damit verbundenen Arbeitsbelastung einstellte – mir anbot, die von ihm begonnene RAVEN-Serie innerhalb der Gespenster-Krimis von Bastei weiterzuführen. Redak­teur der Gespenster-Krimis war ebenfalls Michael Kubiak, mit dem sich sehr angenehm zusammenarbeiten ließ. Jahre später wurden die RAVEN-Romane dann in der neuen Reihe DÄMONEN-LAND wieder neu herausgebracht, die ein anderer Michael, nämlich Michael Schönenbröcher, betreute – auch das einer der Redak­teure, für die ich immer gerne gearbeitet habe. Als 1995 der erste von mir verfaßte RAVEN-Band in Neuauflage erschien, stellte ich zu meinem Entsetzen fest, daß Wolfgang Hohlbein darauf als Autor firmierte. Michael Schönenbröcher trug daran aber keine Schuld; er wußte ganz einfach nicht, daß ich der Autor war, und Wolf­gang Hohlbein hatte ja offenbar auch den entsprechenden Vertrag für die DÄMONEN-LAND-Neuausgabe unterzeichnet ... Auf meinen geharnischten Protest hin versuchte Michael, den Fehler so gut wie eben möglich nachträglich zu korrigieren, indem er in einem der folgenden Hefte ein Autorenporträt von mir veröffentlichte, in dem auch die korrekten Autorenangaben zu meinen Romanen genannt wurden. Auch hatte er beim Redigieren der Romane wohl bemerkt, daß ich mindestens genauso gut schrieb wie Wolfgang Hohlbein, und so kam es dann zu der Einladung, einen Gastroman für VAMPIRA zu schreiben. Offenbar war der Alleinautor der Serie, Manfred Weinland, nämlich unter Termindruck geraten, und die Gastromane verschiedener Autoren sollten dazu dienen, ihm ein bißchen Luft zu verschaffen.

Ein weiterer, diesmal aber nicht als >Gastroman< gedachter Roman von mir erschien dann in der Mystery-Serie DIE UFO-AKTEN, die ebenfalls von Michael Schönenbröcher redaktionell betreut wurde. Auch dieser Serie war ja kein langes Leben beschieden, aber vor ihrem Dahinscheiden hätte ich eigentlich noch einen weiteren Roman schreiben sollen, aber damals erkrankte meine Mutter sehr schwer, so daß ich mich um ihre Pflege und Betreuung kümmern mußte. Da stand mir dann der Sinn halt nicht mehr nach den UFO-AKTEN, und ein Kollege, der unter dem Pseudonym »Carter Jackson« firmierte, schrieb den Roman dann nach meinem Exposé.

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KSD: Wie waren damals überhaupt die Auftragslage bzw. die Publikations­möglich­keiten?

KUB: Vorab: Meine Idee, Heftromanautor zu werden, war so ziemlich die dämlich­ste Entscheidung, die ich jemals getroffen habe. Wenn man regelmäßig Heftromane schreiben und davon auskömmlich leben will, muß man ein Schnell- und Viel­schreiber mit einer eisernen Arbeitsdisziplin sein. Ich hingegen bin ein Langsam- und Wenigschreiber, und bei mir funktioniert das Schreiben ausschließlich über Inspiration, und die ist leider ein äußerst unzuverlässiger Motivator. Wohlgemerkt: Ich habe nichts gegen Schnell- und Vielschreiber, sondern weiß deren Fähigkeiten durchaus zu würdigen; nur ich bin eben keiner. Wäre ich einer, dann wären meine Arbeitsmöglichkeiten damals ganz ausgezeichnet gewesen, denn sobald man einmal in dem Apparat drin war, konnte man sich über Folgeaufträge in der Regel nicht beklagen. Selbst ich habe ja noch Aufträge für die BASTEI FANTASY-Heftserie (zwei Romane) und DAMONA KING (ein Roman) erhalten, obwohl ich damals wo­möglich schon als ein etwas unsicherer Kantonist bekannt war. Auch bei meinen Übersetzungen hätte ich viel mehr Aufträge an Land ziehen können; das ist nur daran gescheitert, daß ich immer sehr langsam gearbeitet habe. Ich erinnere mich noch genau, wie der liebe Michael Kubiak mir eines Tages sagte: »Du mußt doch nicht immer so gut schreiben!« Das war ein wirklich wohlgemeinter Rat, den ich leider nicht befolgen konnte, weil ich nicht bewußt schludrig schreiben kann.

KSD: Du warst Mitherausgeber der SF MEDIA. Gibt es dazu mal ein wenig (aus) zu plaudern? (Ich erinnere mich, daß ich eine zeitlang dort die letzte Seite füllte, mit >Fanzine<-Betrachtungen (die positiver Natur zu sein hatten! Meine Verrisse machte ich massenhaft woanders).

KUB: Die Macher von SF MEDIA habe ich in den 1980er Jahren bei den Wetzlarer »Tagen der Phantastik« kennengelernt. Das, was sie mit SF MEDIA auf den Weg gebracht hatten, gefiel mir, und bei der Überlegung, wie man sie dabei unterstützen könnte, kam mir der Gedanke: »Am besten mit Geld!« Es gelang mir, Wolfgang Hohlbein ebenfalls von dieser Idee zu überzeugen, und von da an unterstützten wir beide SF MEDIA eine Zeitlang Monat für Monat mit einem nicht allzu großen Betrag. Dafür wurden wir im Impressum dann als Mitherausgeber geführt, ohne an der redaktionellen Arbeit jemals wirklich Anteil zu haben. Immerhin habe ich in dieser Zeit einige Beiträge für SFM verfaßt, darunter einen Artikel über die »Tage der Phantastik« und die »Phantastische Bibliothek«, der bei Jörg Weigand, den ich ebenfalls in Wetzlar kennengelernt hatte, nicht eben auf Zustimmung stieß. Er schoß also mit ziemlich großem Kaliber zurück, und ich erwiderte in einem weiteren Artikel das Feuer aus allen Rohren. ;-) Unserer gegenseitigen Wertschätzung hat das allerdings nicht geschadet. Jörg ist ja ohnehin als streitbarer Geist bekannt, und Debatten mit ein bißchen Polemik darin machen ihm wohl einfach Spaß. Wir haben dann auch weiter Kontakt gehalten, er hat mich in einer seiner Kurzgeschichten als Figur auftreten lassen (»Neila auf Goethes Spuren«) und ich ihn und seine Frau Karla später meinerseits in einer Kurzgeschichte anläßlich des Jubelbandes zu seinem 80. Geburtstag (»Mekong«). Außerdem schreibe ich inzwischen regelmäßig für Anthologien, die er – meistens zusammen mit PR-NEO-Autor und -Expokrat Rainer Schorm – in Michael Haitels Verlag p.machinery herausgibt.

KSD: Gibt es noch die eine oder andere Anekdote zu deinen SF- und Horror-Romanen?

KUB: Jede Menge! Vorab aber noch eines: Ich bin immer wieder erstaunt, wie sehr SF- und Horror-Fans auch heute noch jene längst eingestellten Serien lieben, die sie in jüngeren Jahren gelesen haben! Manchmal erreichen mich Anfragen aus dem Fandom, in denen ich um Informationen zu der ein oder anderen Serie gebeten werde. Für mich ist das inzwischen fernste Vergangenheit, an die ich teils schöne, teils weniger schöne Erinnerungen habe. Die schönen teilem ich natürlich gerne mit interessierten Fans, die weniger schönen eher nicht. Das Waschen schmutziger Wäsche liegt mir nicht so.

Fangen wir mal mit den TERRANAUTEN an. Ziemlich zu Beginn der Mitarbeit daran lud Andreas Brandhorst, der damals zusammen mit seiner ersten Frau Anette in Melle wohnte und dort im Geschäft seiner Eltern arbeitete, Rainer Zubeil (alias Thomas Ziegler alias Robert Quint) und mich auf ein Wochenende zu sich ein, damit wir uns näher kennenlernen und über die TERRANAUTEN austauschen konnten. Damals hatte er sich gerade einen Videorecorder gekauft und präsentierte uns stolz seine aktuelle Neuerwerbung, nämlich eine Videocassette mit zwei Spielen darauf. Natürlich gar kein Vergleich mit den heutigen Computerspielen, aber vielleicht erinnern sich ja wenigstens noch ein paar ältere Leser daran: Beim ersten Spiel hüpfte ein Lichtpunkt als Ball über den Bildschirm, den man hin und her spielen konnte, indem man links und rechts eine Fläche (also den Schläger) rauf oder runter schob. In der Grafik unglaublich primitiv, aber trotzdem gar nicht so einfach, wenn man so etwas noch nie gemacht hatte. Das zweite Spiel zeigte in der Drauf­sicht zwei kleine Strichzeichnungs-Panzer, die hintereinander her kurvten und ver­suchten, sich gegenseitig abzuschießen. Jedenfalls kamen wir an diesem Nach­mittag sehr lange nicht dazu, uns über die TERRANAUTEN zu unterhalten.

Überhaupt war der Kontakt mit Andreas und Rainer menschlich sehr angenehm. Andreas und ich gingen zum Beispiel zusammen zu einem Rory-Gallager-Konzert in der Halle Münsterland und unsere Ehefrauen zu einem von Leonard Cohen. Leider brach das alles dann mit meinem Ausscheiden bei den TERRANAUTEN jäh ab. Rainer habe ich bis zu seinem viel zu frühen Tod nicht mehr wiedergesehen, und mit Andreas bin ich erst nach Jahrzehnten wieder kurz in Kontakt gekommen. Anläßlich der Wiederveröffentlichung verschiedener meiner alten SF-Romane bei Apex kam nämlich der Gedanke auf, ob man nicht vielleicht auch den gemeinsam von Andreas und mir geschriebenen Zauberkreis-Roman Computer-Parasiten neu herausbringen könnte. Allerdings bedurfte dieser Roman einer gründ­lichen Über­arbei­tung, denn man darf nicht vergessen, daß das, was wir damals im Heft­roman­sektor veröffentlichten, normalerweise Erstschriftmaterial war. Überarbeitungen waren in der Vor-Computer-Zeit, in der wir alle erst mit mechanischen und dann mit elektrischen Schreibmaschinen arbeiteten, überaus mühsam. Hatte man irgend­welche Fehler gemacht, die sich beim besten Willen nicht mehr mit Tipp-Ex reparieren ließen, mußte man die entsprechende Seite entweder völlig neu tippen oder ihr mit Schere und Klebstoff zu Leibe rücken. Darum ließen manche Autoren auch gerne schon mal fünfe gerade sein und schrieben einfach munter weiter drauf­los, Fehler hin, Fehler her. Natürlich war das auch eine Frage der Honorare, denn als reiner Heftromanautor hätte man schon mindestens zwei Romane im Monat schreiben müssen, um finanziell wenigstens einigermaßen über die Runden zu kommen. Aufwendige Überarbeitungen konnte man sich da nicht leisten. Tat­sächlich schrieben viele Heftautoren ihre Romane abends oder an den Wochen­enden, während sie in der Woche einem Brotberuf nachgingen.

Die Computer-Parasiten bedurften jedenfalls einer Überarbeitung, um den Quali­tätsanspruch eines Taschenbuchs zu erfüllen. Also gab Apex-Verleger Christian Dörge mir Andreas' Email-Adresse, und ich fragte bei ihm an, ob er eine Wieder­veröffentlichung gestatten würde; die Überarbeitung wolle ich gerne übernehmen. Zu meiner großen Freude stimmte er diesem Vorschlag zu, was nicht unbedingt zu erwarten gewesen war. Andreas möchte seine frühen Romanen in der Regel nicht wiederveröffentlicht wissen; nur bei den TERRANAUTEN, die ohne seine Romane nur noch Stückwerk wären, war er seinerzeit bereit, eine Ausnahme zu machen. Und jetzt eben auch bei den Computer-Parasiten, weil es halt eine Koproduktion war. Erschienen ist der Roman dann mit der Autorenangabe »Andreas Weiler und Karl-Ulrich Burgdorf«, denn mit seinem Echtnamen wollte Andreas dann doch nicht dafür stehen – deshalb sein altes TERRANAUTEN-Pseudonym »Andreas Weiler«. Die Überarbeitung ist mir, glaube ich, ziemlich gut gelungen, und ich bin Andreas sehr dankbar, daß er mir das ermöglicht hat.

Worüber man im Zusammenhang mit Heftromanen unbedingt auch sprechen sollte, ist der Jugendschutz. Natürlich hatte jeder Heftromanverlag seinen Justitiar, der alle Romane gegenlas und sie auf jugendgefährdende Inhalte prüfte, damit sie später nicht indiziert wurden. Bei SF-Romanen war das zu meiner Zeit kein großes Problem; anders sah das hingegen im Horror- und Fantasy-Sektor aus. Bei meinen 1983 und 1984 in den Gespenster-Krimis erschienenen RAVEN-Romanen gab es offenbar nur wenig zu beanstanden, amüsiert hat mich allerdings, daß der Justitiar einen Satz über die wenig appetitlichen Opferbräuche der Mayas aus einem der Romane gestrichen hat. Den hatte ich nämlich praktisch wörtlich aus einem beson­ders für Jugendliche empfohlen mehrbändigen Geschichtswerk über­nom­men. ;-) Unerfreulicher wurde es dann schon 1984 bei meinem einzigen DAMONA KING-Roman, in dem durch Kürzungen einige Passagen so entstellt wurden, daß ich sie bei der Lektüre kaum mehr wiedererkannte. Und beim zweiten meiner beiden Wikinger-Romane für die BASTEI FANTASY-Heftreihe mußte ich 1985 tatsächlich lange Passagen selbst umschreiben, da der Roman sonst nach Maßgabe des Justi­tiars nicht hätte veröffentlicht werden können. Stein des Anstoßes waren nicht etwa die in dem Roman auftretenden Untoten, sondern die Tatsache, daß diese Untoten, statt sozusagen klinisch sauber zu sein, ganz wie in der Realität von Leichen­würmern befallen waren – ein Motiv, das man übrigens in jedem mittelalterlichen Totentanz finden kann. Später, also 1996 bei meinem Beitrag zu VAMPIRA, hatten sich die Zeiten schon so sehr geändert, daß vieles in den Romanen stehenbleiben konnte, was Mitte der 1980er Jahre garantiert von der »Freiwilligen Selbstkontrolle deutscher Romanheft-Verlage« herausgestrichen worden wäre.

Noch ein Wort zu den genannten beiden Wikinger-Romanen in der Heftreihe BASTEI FANTASY: Die brachten mir einen begeisterten Leserbrief von einem Neonazi ein, der, wie ich aus der Zeitung erfuhr, einige Jahre später wegen eines rechtsradikalen Gewaltverbrechens zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Nazi-Sympa­thien hatte ich mit diesem Stoff nun wirklich nicht wecken wollen! Darum habe ich diese Romane seit damals in meinem persönlichen Giftschrank verstaut und den Schlüssel lieber gleich zweimal herumgedreht. Kann sein, daß ich sie eines Tages wieder hervorhole, aber dann werde ich sie so tiefgreifend bearbeiten müssen, daß derartige Mißverständnisse nicht mehr möglich sind.

Noch eine Anekdote? Also bitte: 1992 hatte Bastei-Redakteur Michael Schönen­bröcher die Idee, Wolfgang Hohlbein zu seinem 39. Geburtstag eine Parodie auf dessen kurz zuvor mit Band 49 eingestellte Heftserie DER HEXER zu schenken. Aufgemacht sollte dieser »Band 50« wie ein HEXER-Heft sein, aber da es sich um eine Parodie handelte, hieß die Serie in diesem Fall natürlich »DER KLECKSER – Die phantastischen Abenteuer des Wolfgang Hohlbein«; der Band selbst hieß Der Schatten der Zeit. Das erste Drittel des Romans, der natürlich nicht so umfangreich werden sollte wie ein normaler Heftroman, wollte Michael selbst schreiben, das zweite sollte Wolfgangs Freund und gelegentlicher Ghostwriter Frank Rehfeld übernehmen, und für das dritte Drittel war ich vorgesehen – damals waren Wolf­gang und ich nämlich noch befreundet, auch wenn sich schon erste Risse in dieser Freundschaft gezeigt hatten, die dann bald zum endgültigen Bruch führen sollten.

Michael und Frank schrieben also ihre Teile, und dann war ich an der Reihe. Die Geschichte spielte ausschließlich im Hause der Hohlbeins, und was Wolfgang und seine Frau Heike bis zu diesem Punkt der Handlung schon alles erleben, erleiden und erdulden mußten, spottet wahrlich jeder Beschreibung ... Da stand ich nun also vor dem Problem, diese völlig abstruse Geschichte zu einem logischen Abschluß zu bringen und die beiden Hohlbeins dabei zugleich aus der Bredouille zu befreien, in die Michael und Frank sie mit dem allergrößten Vergnügen gebracht hatten. Kurz gesagt: Das ging überhaupt nicht! Also zäumte ich das Pferd vom Schwanz her auf und ritt das Ehepaar Hohlbein noch tiefer ins Chaos, indem ich einen neuen »Großen Alten« à la Lovecraft erfand. Da Wolfgang und Heike begeisterte Katzen­fans waren, gab es dafür natürlich nur eine Möglichkeit, und so ward »Shub-Niggu­cat« geboren, »die Katze mit den tausend Jungen«. Und die verwandelte ihre armen Opfer prompt in eine Art Katzendämonen, die nun am Tage von Wolfgangs Geburtstagsfeier den nichtsahnenden Gästen der Party auflauerten ... Michael Schönenbröcher fügte noch rasch eine Vorankündigung für einen fiktiven Band 51 hinzu, der den schönen Titel Die Katzenstreu des Satans trug, setzte den Text in bester Heftmanier in zwei Spalten und versah das Ganze per Farbkopierer noch mit einem wunderschönen Titelbild. Fertig war das Geburtstagsgeschenk! Die Auflage war natürlich nur einstellig, aber ich finde, man sollte dieses Opusculum wirklich einmal – vielleicht als Fanprojekt? – der Allgemeinheit zugänglich machen. Ob Wolfgang und Heike damit wohl einverstanden wären? Michael, Frank und ich haben beim Schreiben der Geschichte jedenfalls unseren Spaß gehabt. »Große-Jungs-Humor« halt!

Kurt S. Denkena

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© Kurt S. Denkena

Neben seiner mit viel Herzblut ausgeübten Tätigkeit als Lehrer fand Kurt S. Denkena erstaunlicherweise immer noch die Zeit, sich in verschiedenen anderen Bereichen zu engagieren, etwa als Theaterschauspieler.

Außerdem war er lange Jahre in der "Bremer Katzenhilfe" aktiv, die sich um verwahrloste und streunende Katzen kümmert, ist einziges deutsches Mit­glied in der amerikanischen Edgar-Rice-Burroughs-Gesellschaft und – last but not least – seit vielen Jahrzehnten Herausgeber des Informations­dienstes "SF-Notizen", der mittlerweile bereits im 47. Jahrgang erscheint und der von ihm selbst als "die satyrischen JedeMengeInfos für Phantastik, Kultur und Medien" bezeichnet werden.

Jetzt, nach seiner Pensionierung, ist er mit seiner Frau und mehreren Katzen und Hunden von Bremen ins benachbarte Osterholz-Scharmbeck gezogen, wo er sich auch weiterhin der Herausgabe der "SF-Notizen" widmet.

Zu beziehen ist der Informationsdienst "SF-Notizen" ausschließlich über folgende Postanschrift:

Kurt S. Denkena
Sandbeckstraße 21
27711 Osterholz-Scharmbeck