Lesebuch Karl-Ulrich Burgdorf

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© Aisthesis-Verlag / Karl-Ulrich Burgdorf

Walter Gödden (Hrsg.)

Lesebuch Karl-Ulrich Burgdorf

Erscheint Ende Oktober als Band 110 in
Nylands Kleiner Westfälischer Bibliothek
im Aisthesis-Verlag Bielefeld

€ 8,50 · 162 Seiten
ISBN: 978-3-8498-1590-5

In der Reihe "Nylands Kleine Westfälische Bibliothek" werden seit 2002 regelmäßig westfälische Autoren mit einer Auswahl aus ihren Werken vorgestellt. Herausgeber ist Professor Dr. Walter Gödden, seines Zeichens Vorstand der Nyland-Stiftung und zugleich Leiter der Literaturkommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Nach Werner Zillig bin ich erst der zweite westfälische Autor aus dem Bereich Science Fiction & Phantastik, der mit einem solchen Band gewürdigt wird.

"Auf Gucky in the Sky with Diamonds. Eine wahre Geschichte (...) folgen im Lesebuch neun weitere Beispiele aus der Rubrik 'Geschichten'. Sie stehen Pars pro Toto für das breite Spektrum, das Burgdorf mit seinen Erzählungen abdeckt. Ob auf Karl Mays Spuren, im Bereich des Satirisch-Wortspiele­ri­schen oder Spekulativ-Philosophischen, im Szenischen, Parodistischen (gern literaturgeschichtlich konnotiert), in den Gattungen Märchen, Spuk- oder Kriminalgeschichte, sogar im Niederdeutschen — immer gelingen dem Autor überraschende Zugänge (und ebensolche Pointen), mit denen er seine Stoffe so originell und spannend präsentiert, dass sie noch lange im Kopf des Lesers/der Leserin nachhallen. Immer wieder überschreitet er Grenzen und setzt Reflexionsprozesse in Gang – und das nicht blei- und gedankenschwer, sondern unterhaltsam und stets im Dialog mit dem Leser/der Leserin. Die Sätze aus dem Zwiegespräch mit einer selbsterschaffenen literarischen Figur, die von sich behauptet, real und keine Fiktion zu sein (s. Seite 116 dieses Lesebuchs), möchte man gern auf Burgdorf selbst beziehen: 'Ich erfinde bloß Geschichten. Für alles andere sind die Literaturwissenschaftler da ... Meine (nein: unsere!) Aufgabe ist es, unsere Leser zu unterhalten und sie vielleicht ein bißchen zum Nachdenken anzuregen. Nicht mehr und nicht weniger.'"

— Aus dem Nachwort von Walter Gödden

Inhalt

  • Statt eines Vorworts: Wie das Lesen und Schreiben zu mir kam
  • Geschichten
    • Gucky in the Sky with Diamonds
    • Der Frevel des Waka-teh
    • Plaudertasche
    • Das Blau deiner Füße, Geliebter
    • Die beiden Waffenschmiede
    • Frau Bertha
    • Die Kirche des Schwarzen Abts
    • Die Haut
    • Die Kutschfahrt nach Angelmodde (Neufassung)
    • Dialog
  • Romanauszug
    • Delphinenspiele
  • Gedichte & Co
  • Walter Gödden: Nachwort
  • Textnachweise

Stimmen zum Lesebuch Karl-Ulrich Burgdorf

Als ich erfahren habe, dass Karl-Ulrich Burgdorf ein Lesebuch in Nylands Kleiner Westfälischer Bibliothek gewidmet sein würde, habe ich mich sehr gefreut: Einmal für ihn. Steht er jetzt jedoch in einer Reihe mit Anette von Droste-Hülshoff, Max von der Grün, Hans Wollschläger, Heinrich Schirmbeck, Franz-Josef Degenhardt und weiteren insgesamt 109 westfälischer Autor:in­nen. Und für mich habe ich mich auch ein klein wenig gefreut. Und zwar darauf jetzt mit einem Griff einen repräsentativen Querschnitt durch sein Werk zu bekommen und nicht mühsam in diversen Anthologien nach der einen oder anderen Geschichte suchen zu müssen.

Da hat mir der Herausgeber, wohl im Absprache mit dem Autor, allerdings einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn bis auf eine Aus­nahme enthält das Lesebuch nur Texte aus neuerer Zeit.

Die eine Ausnahme ist ein kurzer Auszug – das letzte Kapital plus Epilog – aus dem bereits 1977 erschienenen Jugendbuch "Delphinenspiele". Walter Gödden beschreibt es im Nachwort als den wahrscheinlich frühesten Öko-SF-Roman eines deutschen Autoren überhaupt, der auch mehr als vier Jahrzehnte nach der Veröffentlichung nichts von seiner Aktualität verloren hat. Wer kann, sollte das komplette Buch lesen, um sich davon zu über­zeugen.

Alle anderen Beiträge sind in den letzten Jahren entstanden und zeugen davon, wie intensiv und konzentriert sich Karl-Ulrich in sein zweites Schrift­stellerleben gestürzt hat. In einem Fall fand die Erstveröffentlichung sogar hier im PARADISE statt. Kurzgeschichten aus der "ersten Schaffensperiode" und auch Beispiele aus seinen Heftromanen (aktuell wieder im Apex-Verlag veröffentlicht) oder auch aus einem gemeinsam mit Wolfgang Hohlbein gestalteten Rollenspielbuch fehlen. Vielleicht lesen wir ja da mal was an anderer Stelle!?

Statt eines Vorwortes erzählt KU "Wie das Lesen und Schreiben zu mir kam". Das ist allein schon deswegen spannend, weil man sofort beginnt, es mit der eigenen Lesebiographie zu vergleichen. Ich merke, dass die spätere Geburt durchaus eine Rolle spielt, da ich für einige der Serien und Comics einfach die entscheidenden Jahre weniger auf dem Buckel habe. Aber auch Übereinstimmungen. Wie bei Vielen spielen Karl May und Astrid Lindgren bei der Lesesozialisation eine große Rolle, aber auch Comics und schließlich die Heftromanreihen der TERRA-Reihen und natürlich auch Perry Rhodan.

Seinen ersten Roman schrieb Karl-Ulrich bereits 1966. Es brauchte mehrere Schulhefte bis der erste Roman der Serie von JERRY CUNNING – DER HELD DER STERNE fertig geschrieben war. Mit einem Schulfreund schrieb er weitere Abenteuer dieses Weltraumhelden. Über die Publikationsgeschichte wird allerdings nichts verraten. Aber diese Schreibversuche mündeten schließlich in den ersten 1974 veröffentlichten Roman "Nijha, der Attentäter" in der SF-Heftreihe des Zauberkreis-Verlags. Ich muss zugeben, dass dieses "Anstatt eines Vorwortes" nostalgische Gefühle hervorruft und ich mich gerne an die Zeit zurück erinnere, als jeder neuer SF-Roman eine Offen­barung war.

Schon die ersten drei Kurzgeschichten zeigen, wie breit und unterschiedlich die Themen und Genres sind, die KU in seinen Geschichten verarbeitet. "Gucky in the Sky with Diamonds" erschien zuerst im PARADISE 109 und ist eine offenherzige Jugendgeschichte über eigene Drogenerfahrungen aber vor allem über einen nicht so schönen LSD-Trip eines Freundes, für den KU im Drogenwahn und wegen des Verzehr unschuldiger Wurzeln zu eben jenem Nagetier mutierte. Aber warum erzähle ich das hier? Es haben ja schließlich alle hier schon lesen können und selbst gerätselt, was Dichtung und was Wahrheit ist.

"Der Frevel des Waka-teh" bringt Winnetou und Old Shatterhand in erheb­liche Gefahr, aber der alte Häuptling der Apachen erweist sich nicht nur als vorzüglicher Fährtenleser, sondern auch als erfahrener Schamane. Die Geschichte entstand für die Anthologie "Auf phantastischen Pfaden", die 2016 im Karl May Verlag erschien.

Doktor Egon Froyd bekommt es in der nächsten Geschichten mit einer "Plaudertasche" zu tun, die sich zum Leidwesen ihrer Besitzerin nicht sehr kommunikativ verhält. Oder genauer: sie findet Gespräche mit Menschen einfach langweilig und palavert lieber mit anderen KIs. Ein schwieriger Fall für den Psychiater und seine Couch, die sich schließlich darüber streiten, wer wen therapieren darf oder ob eine Gruppentherapie nicht sinnvoller wäre. Eine sehr humorvolle und sehr dialogisch angelegte Geschichte. Damit sind dann schon drei Dimensionen Burgdorfschen Weltenbaus benannt: persönliche Erfahrung; Mystery bzw. Horror und feinste Science-Fiction mit außergewöhnlichen Plots.

Bei der Auswahl der Geschichten wird aber noch eine andere Leidenschaft Karl-Ulrichs deutlich: Klassische deutsche Literatur und vor allem der Dichter­fürst Goethe haben es ihm angetan. Gleich in zwei Beiträgen (und es gibt noch weitere in anderen Veröffentlichungen) ist der Wirkliche Geheime Rat bzw. sein Werk Ausgangspunkt der Geschichte. "Frau Bertha" ist ein Monolog der Witwe des verblichenen Dr. Faust, die – um es gelinde zu sagen – sehr kritisch mit dem Lebenswandel des ehemaligen Gatten zu Gericht geht. Nicht ohne Grund, wie wir wissen.

Zum Glück beweist der Dichterfürst himself ein höheres Einfühlungs­vermö­gen und kommunikative Kompetenz bei der "Kutschfahrt nach Angel­modde". Obwohl das Gespräch durch den Dialekt, das "münster­ländische Platt" des Kutschers, doch sehr erschwert wird. Die Geschichte erscheint im "Lese­buch" in einer Neufassung. Die Übersetzung der münster­ländischen Passa­gen erfolgte durch Hannes Demming. Wer damit überfordert ist findet eine rein hochdeutsche Fassung in der Anthologie "Der Schäms-Scheus-Virus und andere unwahrscheinliche Geschichten".

Der Wettstreit um den Krummsäbel mit der feinsten Klinge und der schärfsten Schneide endet für einen "Der beiden Waffenschmiede" zwar mit einem Sieg aber trotzdem nicht sehr glücklich. Weil die Waffe einfach zu gut ist. Die Geschichte arbeitet süffisant auf das überraschende Ende hin und kann auch als Hörbuch auf der Homepage des Autoren gehört werden.

Aber es darf nicht verschwiegen werden, dass Karl-Ulrich auch einen Hang zu dunklen die Abgründe des Menschen offenbarende Themen hat. Dies zeigt sich in der Geschichte "Die Kirche des schwarzen Abts" als auch in "Die Haut", deren Ende besonders unter dieselbe geht (angesichts der erschüt­tern­den Beichte am Ende der Geschichte ein vollkommen unpassendes Wortspiel).

Neben der "Kutschfahrt" ist auch der "Dialog" eine Erstveröffentlichung, die im Rahmen einer Tagung zum Thema "Meta-Geschichten" der Gesellschaft für Fantastikforschung am Englischen Institut der Universität Münster ent­stand. Entsprechend dem vorgegebenen Thema streiten sich im "Dialog" Autor und Geschichte wer zuerst da war und wer nun wen bedingt. Auch das ist ein Element, dass die Geschichten Karl-Ulrich auszeichnet: eine oft paro­distische Grundhaltung bei der im Hintergrund aber grundlegende philo­sophische Fragen aufgegriffen werden.

Und noch eine weitere wesentliche Eigenschaft zeichnen die neueren Texte gegenüber dem einzigen Beispiel aus den siebziger Jahren aus: Auch wenn der Vergleich mit einem Jugendbuch, das natürlich auf eine einfachere Sprache achten muss, nicht ganz fair ist, so ist der stilistische Unterschied hinsichtlich der Sprachverwendung, des Satzbaus und der Art des Erzählens doch evident. Die Sprache orientiert sich oft an die klassischen Vorbilder und sowohl die Handlung als auch das Setting (eine Bezeichnung, die in ein anderes Jahrhundert gehört) werden langsam und sorgfältig aufgebaut. Karl-Ulrich ist ein klassischer "Erzähler", der wenig mit dem modernen Konzept des "Show, don't tell!" anfangen kann bzw. sich dem nicht verpflichten möchte.

Einige Beispiele des lyrischen Schaffens runden dieses Lesebuch ab. Die Gedichte entstammen dem kleinen aber feinen Band "Revolvermann, ver­liebt", der 2015 im münsterschen Sonderpunkt-Verlag erschien. Die Gedich­te sind aber wohl zum Teil sehr viel älter. Damit ist ein weiterer Zweig des schriftstellerischen Schaffens Karl-Ulrichs vertreten, der allerdings – wie auch Walter Gödden in seinem Nachwort schreibt – nicht im Zentrum steht.

Auch wenn ich viele Geschichten schon kannte: Ich habe sie gerne ein weiteres Mal und mit viel Vergnügen gelesen. Es ist eine repräsentative facettenreiche Zusammenstellung, die gleichzeitig Grund zum Schmunzeln und zum Nachdenken gibt – auch wenn ich die eine oder andere ältere Geschichte schon vermisse.

Holger Marks
in Paradise 115

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Von verspielt bis hintergründig

Das Karl-Ulrich Burgdorf-Lesebuch, erschienen in Nylands Kleiner Westfä­lischer Bibliothek, herausgegeben von Walter Gödden, der auch das Nach­wort verfasst hat, gibt einen kurzen, pointierten Überblick über das reiche Schaffen des Autors, der sich vor allem im SF-Bereich einen Namen gemacht hat. Auf SF/Fantasy liegt dementsprechend auch der Schwerpunkt der Kurzgeschichten, und die reichen von herrlich verspielt ("Plaudertasche", "Das Blau deiner Füße, Geliebter") über phantastisch-morbide ("Die Kirche des Schwarzen Abts") bis hintergründig mit doppeltem, wenn nicht gar drei­fachem Boden ("Die Haut"). Abgerundet wird der kleine Band durch einem Romanauszug ("Delfinspiele") und einigen Gedichten, die Einblicke in einen ganz anderen Schaffensbereich von Karl-Ulrich Burgdorf geben. Fazit: Absolut lesenswert!

IconIconIconIconIcon von Claudine Lamaison
Rezension vom 19.11.2021 auf AMAZON

Ein Wort in eigener Sache

In den Textnachweisen des Lesebuchs findet sich die Angabe, daß die Geschichte "Die Kirche des Schwarzen Abts" zuvor bereits in dem von Jörg Weigand Ende September 2021 herausgegebenen Bildband Fantastische Wirklichkeiten. Die Bilderwelten des Rainer Schorm abgedruckt worden sei. Dies wäre eigentlich auch der Fall gewesen, aber durch ein Verkettung unglücklicher Umstände ist unter der Überschrift "Die Kirche des Schwarzen Abts" stattdessen ein anderer, für eine spätere Anthologie vorgesehener Text von mir erschienen. Folglich handelt es sich beim Abdruck der Erzählung "Die Kirche des Schwarzen Abts" in diesem Lesebuch nun um eine Erstveröffentlichung. Eine entsprechende Korrektur in den Textnachweisen war aber leider nicht mehr möglich, da sich der Band bereits im Druck befand.

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