Dat Alientranslatonium - hochdeutsch

Vorbemerkung

Der nachfolgende Text ist eine hochdeutsche Version meiner Erzählung Dat Alienotranslatonium, mönsterländsk platt van Hannes Demming, erschienen in der von Thomas Le Blanc und Jörg Weigand im Juli 2014 herausgegebenen Anthologie Rosetta 8.0. Er ist als Lesehilfe für all diejenigen gedacht, die mit der von Hannes Demming ins münsterländische Platt übertragene Druckversion ihre Schwierigkeiten gehabt haben. Darum entspricht der hier vorgelegte hochdeutsche Text auch nicht exakt meinem ursprünglichen Manuskript. Hannes Demming hat sich bei seiner Übersetzung alle nötigen und einem Übersetzer selbstverständlich auch zustehenden Freiheiten genommen, und ich meinerseits habe nun seine plattdeutsche Fassung so wortgetreu wie eben möglich wieder ins Hochdeutsche rückübersetzt, damit er seinen Zweck als Lesehilfe möglichst optimal erfüllt.

Und mehr als eine Lesehilfe will dieser Text auch nicht sein! Der Gag der Geschichte erschließt sich nämlich nur dann, wenn man sie tatsächlich in münsterländischem Platt liest. Um aber wenigstens einen ungefähren Eindruck von dem zu vermitteln, was passieren kann, wenn zwei total verschiedene Ausformungen der deutschen Sprache aufeinanderprallen, stehen die in der plattdeutschen Übersetzung der Geschichte hochdeutschen Sätze hier im Fettsatz.

Und nun: Viel Vergnügen!

Karl-Ulrich Burgdorf

Das Alienotranslatonium

münsterländisch platt von Hannes Demming

So, Hiärm, nun gieß mir von Deinem besten Doppelkorn mal ordentlich einen ein! Nee, nicht so'n Pinneken! Nimm mal gleich ein richtiges großes Schnapsglas, oder, noch besser, das Wasserglas da! Dann erzähl ich dir, was mir auf dem Weg nach hierher passiert ist, und ich kann dir sagen: Sowas hast du in deinem ganzen Leben noch nicht gehört.

Also: Ich geh nichtsahnend am Feld vom alten Tönne Farwick entlang; auf einmal hör ich in der Luft so ein seltsames Geräusch: ein feines Summen, als wär ein ganzer Bienenschwarm unterwegs, nur daß es da da gar keine Bienen mehr geben kann, seitdem Tönne seinen Mais immer mit diesem neuen Pestizid besprüht. Und als ich nach oben gucke, was sehe ich da? Ein ... Ding, das blinkt und schimmert und immer tiefer und tiefer kommt. Ich denke: Das wird wohl eine von diesen neu­modischen Drohnen sein, die heutzutage überall herumfliegen. Aber Puste­kuchen! Das war keine Drohne, das war eine echte fliegende Untertasse, wie man sie aus Filmen und aus dem Fernsehen kennt. Und die landet direkt vor mir auf dem Weg! Na ja, »landen« ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Einfach in der Luft stehen geblieben ist sie, als wär sie an einem Fäden aufgehängt, den man nicht sehen kann.

Ja, und dann geht oben in der Wölbung von dem Dingen eine Luke auf, und drei kleine grüne Männchen steigen raus und werfen sich auf dem Rand der fliegenden Untertasse vor meinen Augen in Positur: dreißig Zentimeter groß, von der Farbe eines Kuhschisses oder, wenn ich es ein bißchen höflicher ausdrücken soll, wie der Wackelpeter mit dem künstlichen Waldmeister­geschmack, den wir früher sonntags von Muttern zum Nachtisch gekriegt haben. Vater mochte den partout nicht, aber wir fünf Kinder haben uns immer um seine Portion gebalgt. Ach, ich komm ins Schwafeln, also wirklich! Du fragst, ob ich mich erschrocken habe? Was für 'ne Frage! Ich doch nicht. Dafür müßtest du mich doch kennen.

Ein Angsthase bin ich mein Leben lang nicht gewesen, und wenn, dann hätt's in meinem Leben ganz andere Situationen gegeben, wo ich mich hätte erschrecken können, zum Beispiel letztes Jahr, als Beisenkötters Anni auf dem Feuerwehrball direkt vor mir auf den Tisch geklettert ist und angefangen hat zu tanzen: Ihr Rock flog hoch und ... ich guck ins Paradies. Kerl, nee!

Sag mal, was bist du geizig mit dem Schluck! Ich wette, du hast noch mindestens eine Flasche hinterm Schrank in der oberen Kammer stehen. Los, laß laufen! ... Jetzt geht’s wieder, ha!

Also, wo war ich stehengeblieben? Ja, richtig: Die drei Männchen, die hatten so ein Technik-Gerät bei sich, einen Apparat mit vielen bunten Lämpchen und zwei Dutzend Knöpfen und einem Lautsprecher vorne dran. Und dann fangen sie an zu reden: Es war ein einziges Gezwitscher und Gequieke und Gefiepe, und was meinst du, was dann passiert? Du rätst es nicht! ... Genau: Vorne aus dem Lautsprecher kommt das, was sie sagen, in Hochdeutsch wieder heraus, oder, besser gesagt, in einer Sprache, die man heutzutage so als Hochdeutsch bezeichnet.

»Hi, Alter«, sagt also das eine von den grünen Männchen, »nun mal keine Panik auf der Titanic! Wir sind nämlich in ganz friedlicher Mission hier: peace, love and happiness und so weiter. Daß wir ausgerechnet in deinem Sektor aufgeschlagen sind, das liegt daran, daß das hier eine echt geile Gegend ist, alles so schön grün, genau wie bei uns zu Hause.«

Und dann erzählt es was davon, daß ihre Maschine unsere Sprache durch »Abhören des bildlosen Tonfunks« gelernt hätte, und zwar, wie wir so sagen würden, »auf der Frequenz 105,5 Megahertz«.

Dann macht es erst mal ein Päuschen und guckt mich an, als würde es etwas von mir erwarten. Und ich, sozusagen als Vertreter aller Menschen auf unserem Globus, werfe mich in die Brust und sage zu ihm:

»Schua an, das freut mich aber ungemein, daß ihr euch gerade unser schönes Münsterland für euern ersten Besuch auf dem Planeten Erde ausgesucht habt. Wir Münsterländer sind nämlich ein durch und durch gastfreundlicher Menschenschlag. Du mußt wissen, es gibt Leute, die uns nicht leiden mögen und behaupten, wer zu uns käm, der müßte erst mal einen Sack Salz, hundert Pfund Töttchen und tausend Schüsseln Dicke Bohnen mit uns gegessen haben, bevor er hier willkommen wäre.

Aber das ist pure Verleumdung, frei erfunden und ganz und gar erlogen. Ich hätte mich aber gefreut, wenn ihr ...« Aber da merke ich, daß die drei gar nicht zuhören, sondern immer nur auf den Apparat gucken, also die Maschine, die Menschensprache übersetzen kann. Die Lämpchen sind nämlich in einer Tour am Blinken, leuchten nervös auf, mal rot, mal blau, mal gelb, mal weiß, mal grün, mal rosa und so weiter, wie in einem Kaufhaus von Oktober an ein Weihnachtsbaum mit seinen bunten Lichtern, Kugeln und Kerzen.

»Ist ja voll kraß!« meint eines der grünen Männchen zu den beiden anderen, während es mehr als hektisch an den Knöpfen der Übersetzungs­maschine herumdreht und -fummelt, und die Maschine tut nichts anderes, als alles, was es sagt, in 1Live-Deutsch zu übersetzen. »Ich glaub, ich pack es nicht! Die Lieferfirma hat uns doch garantiert, daß die Box alles perfekt checken würde, was die Erdlinge hier im Sektor so reden! Da wird der Oberste Rat aber ordentlich was zu reklamieren haben! Ich hoffe nur, die schieben uns das nicht in die Sandalen, von wegen Bedienungsfehler oder so!«

Und hast-du's-nicht-gesehen haben sie den Kasten wieder eingepackt und sind in ihrer Untertasse verschwunden. Klappe zu! Weg sind sie. Ich steh da, krieg den Mund nicht zu und schau ihnen hinterdrein.

Als ich wieder beigekommen bin, habe ich mir natürlich überlegt, warum denen ihre Maschine nicht funktioniert hat. Und dann war mir auf einmal klar: An der ganzen Pleite ist natürlich der WDR schuld, weil er seit Jahr und Tag das münsterländische Platt links liegen läßt. Ansonsten hätten die grünen Männchen ihren Wunderapparat ja Woche für Woche mit einem ordentlichen Mundvoll Platt füttern können; und dann hätte es hier solche Probleme gar nicht gegeben.

Aber es mag natürlich sein, daß sie anderswo auch Schwierigkeiten gekriegt hätten, zum Beispiel in Klein-Muffi oder im Ruhrpott oder ... in Brüssel.

© 2015 Karl-Ulrich Burgdorf